Das war mein schönstes Wochenende im ganzen Jahr 2022. Die Zubačka ist ja meine erklärte Lieblingsbahn und so konnte ich auch dieses Jahr nicht missen, das jährliche Hauptevent am ersten Juliwochenende mit Dampflok und zwei Tagen Betrieb zu besuchen, dieses Jahr unter dem Motto „Oslavy 120 let Zubačky a železnice Kořenov – Harrachov – Szklarska Poręba Górna“, zu deutsch „Feiern anläßlich von 120 Jahren Tannwalder Zahnradbahn und Zackenbahn“.
Die Anreise erfolgte wie immer am Freitag davor und wie immer liegt gleich der Bahnhof in Kořenov, welcher der betriebliche Mittelpunkt des Museumsbetriebes ist, am Weg. Diesmal wird 464 202 des Baujahres 1956 die Dampfzüge nach Szklarska Poręba und zurück führen. Am Freitagabend war sie bereits warm, während das Wetter sich kühl und etwas regnerisch gab:
464 202 „Rosnička“ freitagabends in Kořenov
Einige auch schon bald historische, jedenfalls aber stets gern gesehene Dieselloks waren ebenfalls anwesend:
749 250-7 „Zamračená“ oder „Bardotka“
750 308-9 „Brejlovec“
Am nächsten Morgen dann ging es zu Fuß von meiner Unterkunft „Pod můstky“ in Harrachov zu Fuß zum abseits gelegenen Bahnhof, um dort mit dem regulären von Szklarska Poręba kommenden ČD-Zug nach Kořenov zu fahren. Hier ein paar Impressionen von Landschaft und Architektur in Harrachov, typisch für das ganze Isergebirge:
Lokalkolorit in Harrachov
In Kořenov war schon mächtig was los. Wenn diese Veranstaltung so viele Leute anzieht, dann führt man als České drahy auch locker einen Sonderzug von Prag heran, von dem aus direkt in den bereitstehenden Dampfzug umgestiegen werden kann:
Dampfzug nach Szklarska Poręba und Sonderzug aus Prag
Vorne in Richtung Szklarska Poręba steht die „Rosnička“:
„Rosnička“ erhält gleich Ausfahrt
Auch ein Zahnradbahnzug in der entgegengesetzten Richtung, nach Tanvald, steht bereit. Der stets talseitig gereihten Zahnradlok wird ebenso stets noch ein zweites Triebfahrzeug bergseitig beigestellt. Heute ist es eine 743, deren Baureihe seinerzeit gerade dafür beschafft wurde, um den Zahnradbetrieb auf der Žubačka einstellen zu können:
Heute hilft 743 002-8 („Kocour“) dem Zahnradbahnzug
Heute sind alle beide erhaltenen Zahnradbahnlokomotiven, die „Rakoušanky“ („Österreicherinnen“, weil bei SGP Wien-Floridsdorf erbaut), T 426 001 und T 426 003, in Betrieb. (T 426 002 und T 426 004 gingen leider schon vor längerer Zeit den Weg des alten Eisens.)
T 426 001 „Rakoušanka“, eine schöne Wienerin
Heute ist ein ausgesprochen farbenfroher Tag, passend zum tschechischen Ferienbeginn. Hier eine weitere 743 in frischem Farbkleid:
743 008-5, die Steilsteckentaugliche
Den Zahnradbahnzug nach Tanvald bespannt heute T 426 003. Hinter der Lok der stets mitgeführte Bierwagen. Die sehr rührigen und freundlichen Museumsbahner laufen bei jeder Fahrt von Kořenov nach Tanvald und zurück etliche Male mit Getränkehaltern angetan durch den ganzen Zug, um nur sicherzustellen, dass keine Kehle trockenbliebe. Natürlich nahm auch der Schreiber dieser Zeilen dies freundliche Angebot gebührend an :)
Heute fährt „Rakoušanka“ T 426 003 nach Tanvald und zurück
In Tanvald sind wie immer in den vergangenen Jahren etliche Triebwagengarnituren der Baureihe 845 zu sehen. Alle in Superzustand. Die bedienen von hier aus etliche Schnellzugdienste in verschiedenen Richtungen (wenn auch nicht über die Steilstrecke nach Kořenov). Hier sind sie also gelandet, die 628er der Deutschen Bahn, die in Germanien nicht einmal mehr für den Nahverkehr gut genug gewesen waren. Der Anbieter „arriva“, der diese Dienste betreibt, ist „selbstverständlich“ eine Tochter der Deutschen Bahn.
Mehrere 845er, ex DB 628, in Tanvald
Ein interessantes Detail am Rande: Mein besonderes Interesse gilt bekanntlich nicht nur der historischen Bahn, sondern auch der Wasserkraft in all ihren vielfältigen Ausprägungen. Und wie könnte es anders sein, dass auch hier, in einem Mittelgebirge mit etlichen mit starkem Gefälle gesegneten Wasserläufen, der Ursprung der Industrialisierung die Wasserkraft war. So auch hier an der Desná, ich glaube auf dem Gelände der Firma Okna Tanvald s.r.o., einem Hersteller von Fenstern und Türen. Rechts unterhalb der Bildmitte mit dem grünen Dächlein das Wehr, unmittelbar links davon der offensichtliche (frühere?) Triebwerkseinlauf.
Derartige Anlagen gibt es naturgemäß auch noch an vielen anderen Stellen in dieser schon früh stark industrialisierten Gegend. Wann wird sich wohl die Erkenntnis durchsetzen, dass jede dieser „kleinen Wasserkräfte“, auch wenn für sich genommen vielleicht unbedeutend, immer einen Beitrag zur im übrigen unverzichtbaren Grundlast liefert?
Relikte (?) einer Fabriks-Wasserkraftanlage in Tanvald, vom Zug aus gut zu sehen
Unterwegs halten wir unter anderem in Desná und in Dolní Polubný, wo sich interessante Relikte einer wohl früher bestehenden Zahnradausweiche befinden:
Desná
Dolní Polubný
Nun sind wir zurück in Kořenov. Hier ein Eindruck davon, wieviele Leute so ein Event anzieht. Und das sind beileibe nicht alles Eisenbahnfreunde, sondern vor allem sehr viele „normale“ Leute mit ihren Familien:
Volksfestcharakter in Kořenov
Breilovec wird einfach immer gern gesehen ... im Hintergrund der Sonderzug der ČR, der gerade für die Rückfahrt nach Prag bereitgestellt wird
Um den Sonderzug über die Zahnradstrecke befördern zu können, wird ihm ein Kocour beigestellt ...
... während die Bardotka und der rote Breilovec die Wagengarnitur des Dampfzuges unter ihre Fittiche nehmen
Das war's für heute. Der Schreiber dieser Zeilen holt sich zurück in Harrachov eine Pizza Tonno von Zetko („Máte ta nejlepší pizza v célem světě!!!“ sage ich jedesmal, stimmt auch, und immer freuen sie sich) und eine Flasche exzellenten tschechischen Rotweins, um den Tag in meiner Unterkunft „Pod můstky“ gebührend zu beschließen.
Pizza Tonno von Zetko und ein Fläschchen „Modrý Portugal“ von Chateau Valtice
Am Sonntag ging's zurück nach Hause und da ich jetzt im Sommer immer den Weg über Frýdlant v Čechách und Görlitz nehme, liegt Kořenov wieder am Weg und so konnte ich die Rosnička nochmals in sogar noch besserem Licht auf den Chip bannen:
Nochmal die wunderschöne Rosnička
Dann gab es noch ein paar automobile Veteranen zu sehen, nämlich einen Moskwitsch-403 (Baujahr ca. 1963) und einen Praga Piccolo (Baujahr ca. 1930):
Moskwitsch-403
Praga Piccolo
Das war's wieder. Sollte ja am folgenden Montag wieder arbeiten. Es ist aber gar nicht gut, die Arbeit über alles andere zu stellen; insbesondere dann nicht, wenn die eigenen Skills höchstens mal temporär gefragt sind. Führt alles nur zum Burnout. Nächstes Jahr werde ich mir daher für all das noch viel mehr Zeit nehmen als bisher. Entschleunigen heißt das Zauberwort.
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