Auf dem Weg nach Deiva Marina an der ligurischen Küste blieben wir unter anderem ein paar Tage in Stresa am Lago Maggiore. Dort werden Rundfahrten Stresa-Locarno–Domodossola–Stresa angeboten, bei denen erst per Schiff der gesamte Lago Maggiore von Süd nach Nord durchmessen wird. Anschließend steigt man in Locarno in die elektrische Schmalspurbahn nach Domodossola um, von der ich heute berichten will: die Centovalli-Bahn.
Blick über den Lago Maggiore vom Schiff aus in Richtung Norden
Schon die Fahrt auf dem Lago Maggiore ist traumhaft schön und darüberhinaus gut geeignet, eine eventuelle weibliche Begleitung in heitere und positive Stimmung zu versetzen, so daß die Dame auch der anschließenden Fahrt mit der Schmalspurbahn – dem Eisenbahnfreund der eigentliche Zweck des Ausflugs – wohlgesonnen sein wird.
Cannobio am westlichen Seeufer kurz vor der schweizerischen Grenze
Apartmenthäuser in Brissago TI ... sowas hätte ich auch ganz gern :)
Stilleben im Bahnhof Locarno – die Centovalli-Bahn befindet sich ein Stockwerk tiefer
Aber auch die Fahrt mit der Centovalli-Bahn ist von außergewöhnlicher landschaftlicher Schönheit. Es beginnt relativ unspektakulär, da man die Abfahrtstelle der Bahn in Locarno bereits vor etlichen Jahren unter die Erdoberfläche verlegt hat. Wir haben Glück: Unser Zug besteht aus einer artreinen Altbaugarnitur aus den Fünfziger Jahren.
ABe 8/8 23 „Ossola“, Baujahr 1959, in Locarno
Außerhalb Locarnos geht es energisch aufwärts durch wildromantische Tessiner Landschaft. Der Neigungswinkel des Beiwagens gegenüber unserer „Ossola“ darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Zustand der Bahn selbstverständlich vollkommen tadellos ist.
Blick auf die Melezza, welche uns noch eine geraume Zeit begleiten wird
Auf der Strecke westlich von Locarno
Strecke bei Calezzo
Halt in Verdasio
Typisches Empfangsgebäude in Camedo kurz vor der italienischen Grenze
Es erfreut das Herz des Eisenbahnfreundes ganz ungemein, zu sehen, wie sehr die Welt hier noch in Ordnung ist. Alles ist picobello, kein Dreck, keinerlei Verwahrlosung, keine Graffittis; die Bahnanlagen sind vollständig, wie es sich gehört; nirgendwo ist auch nur das geringste Anzeichen von Niedergang zu sehen.
Unlängst äußerte ich angesichts der Sauberkeit und Gepflegtheit jedwedes öffentlichen Raumes in der Tschechischen Republik und in Polen im Verwandtenkreis die Frage, woher dieser Gegensatz zu der überall massivst raumgreifenden Verwahrlosung in der „BRD“ wohl komme. Daraufhin wurde die Aussage einer in der „BRD“ lebenden Tschechin zitiert, die der Auffassung war, ihren Landsleuten ginge es ja jetzt endlich besser als im Sozialismus und daher achte man eben viel mehr auf alles. Hinzugesetzt wurde dem seitens der Zitierenden noch das bekannte Wort von der „Wohlstandsverwahrlosung“. Dies hier ist nun der Beweis dafür, daß jene Analyse wohl nicht zutreffen kann.
Wir warten auf einen talfahrenden Zug, der hier gekreuzt wird, daher ist Zeit, unseren Zug von außen auf den Chip zu bannen.
Unsere „Ossola“ ...
... und ihre stilreinen Beiwagen
Ristorante „Vittoria“ mit eigener Treppe zum Bahnsteig und intakter, funktionsfähiger Triebwagenschuppen in Camedo
Der talfahrende Zug ist der ABe 4/6 63 „Malesco“, Baujahr 1992
Ein einziger kleiner Unterschied ist kurz darauf auf der italienischen Seite der Bahn bemerkbar: Während auf der schweizerischen Seite die Schienenstöße geschweißt sind, hört man ab der Grenze jenes klassische Tadam-tadam-tadam ...
Halt in Re
Ce 2/4 4, Baujahr 1904, steht als Denkmal in Santa Maria Maggiore
Entlang der Strecke sind hübsche und interessante Wohnhäuser in der schönen, nun weniger wildromantischen Landschaft als im schweizerischen Teil zu sehen
Ein weiteres typisches Stationsgebäude in Druogno
Auf der Strecke westlich von Prestinone ... man sieht, daß ich nicht der einzige Eisenbahnfreund an Bord war
So sieht Eisenbahnromantik aus
Kurz vor Ende der Talfahrt bei Domodossola
Beiwagen B 122 innen
Zuglaufschild
Alles an der Centovalli-Bahn ist äußerst solide und aufwendig gemacht und gleichzeitig tiptop gepflegt und tadellos in Schuß, wie dieses Zuglaufschild nochmals verdeutlichen möge. Bei der „Deutschen Bahn“ ist alles so einfach und „kostengünstig“ wie möglich und gleichzeitig so verlottert und verdreckt, daß dem Eisenbahnfreund das Bahnfahren mit derselben seit langem komplett vergangen ist.
Unsere „Ossola“ in der Endstation Domodossola, wiederum unterirdisch wie in Locarno
Fiat 500 „Giardiniera“ (1960-1977)
Zurück in Stresa lief mir noch diese schöne Gärtnerin vor die Kameralinse. Tags darauf ging es dann weiter nach Deiva Marina. Aber das wird sicher die letzte Reise an den Teutonengrill gewesen sein, zumindest solange der Euro noch existiert ...