Ende Juli und im August 2016 waren wieder einmal ein paar Besuche in der geliebten Tschechischen Republik, genauer gesagt in Westböhmen, fällig. Zwar war der wahre Grund diesmal nicht nur Urlaub und Technikhistorie ... aber da dieser sich mittlerweile auch schon wieder erledigt hat, breite ich hier lieber den Mantel des Schweigens darüber und zeige besser nur ein paar Fotos von den anderen interessanten Dingen, die mir auch während dieser Besuche wieder vor die Kameralinse kamen ;)
Obligatorisch war zunächst ein Besuch im sehr geliebten Mariánské Lázně / Marienbad, was stets einen famosen Entspannungseffekt hat ...
Mariánské Lázně, Masarykova
Mariánské Lázně, Hlavní lázeňská kolonáda / Große Kolonnade
In der Großen Kolonnade finden regelmäßig Konzerte verschiedenster Ensembles statt. An diesem Tag brachte das Západočeský symfonický orchestr Mariánské Lázně / Westböhmisches Symphonieorchester Marienbad unter anderem den „Schlittschuhläufer-Walzer“ (tschechisch „Bruslaři“) von Emil Waldteufel zu Gehör ... ein Genuß sondergleichen.
Západočeský symfonický orchestr Mariánské Lázně / Westböhmisches Symphonieorchester Marienbad
Mein Lieblingsmineralwasser liefert die Lesní pramen / Waldquelle, gelegen in schönster biedermeierlicher Idylle:
Lesní pramen / Waldquelle
Ein weiteres herausragendes Prachtstück – offensichtlich aus der Zeit des Art Deco in den Zwanzigerjahren stammend – ist der links zu sehende riesige und außerodentlich eindrucksvolle Kronleuchter, der sich in der Křížový pramen / Kreuzquelle direkt neben der Großen Kolonnade befindet. Das Mineralwasser aus der Kreuzquelle hingegen ist sehr stark und darum weit mehr Geschmackssache als der Kronleuchter.
Natürlich ist die mondäne Bäderatmosphäre bei weitem nicht alles Interessante. So befindet sich zum Beispiel nicht weit von Mariánské Lázně weit abseits des touristischen Betriebes ein hübsches Städtchen namens Sokolov / Falkenau, gelegen an der Ohře / Eger, das eine lange Bergbautradition in der Braunkohle aufzuweisen hat. Der unbedarfte piefkinesische Leser mag bei einem tschechischen Braunkohleort vielleicht an ein dreckiges, verstunkenes Loch denken ... nichts weniger als das ist Sokolov. Ganz im Gegenteil ist es so, wie man sich eine Kleinstadt in der Schweiz vorstellt: Alles ist picobello sauber und gepflegt, kein Dreck, kein Grafitti, keine Asozialität, keine Kriminalität weit und breit. Man fühlt sich wie in die Siebzigerjahre zurückversetzt und so sicher wie in Abrahams Schoß.
Sokolov, Staré náměstí
Haus mit Bergbau- und Jugendstil-Ornamenten am Staré Náměstí
Hornický dům (Haus des Bergbaus), erbaut 1923-1924
Man beachte den Fries im Obergeschoß namens „Jeden den ze života horníka“ (Ein Tag aus dem Leben des Bergmanns).
Sokolov liegt an der Ohře (Eger) unmittelbar westlich des Höhenzuges namens Slavkovský les (Kaiserwald). Der Slavkovský les hat eine der ältesten Bergbautraditionen in Mitteleuropa, die weit bis in's Mittelalter zurückgeht; im Gegensatz zum benachbarten Sokolov jedoch nicht in der Braunkohle, sondern vor allem im Zinnbergbau. Berühmte Bergbaustädte im Slavkovský les waren Horní Slavkov (Schlaggenwald) – wo die Zinnerzförderung in Důl Stannum (Grube Stannum) noch bis 1991 andauerte –, das vollständig untergegangene Čistá (Lauterbach) und Krásno (Schönfeld), wo sich heute auf dem Gelände der ehemaligen Důl Vilém (Grube Wilhelm) ein hochinteressantes und -informatives Bergbaumuseum befindet.
Fördermaschine im Bergbaumuseum Krásno
Diese dampfbetriebene Zweizylinder-Gleichstrom-Fördermaschine im Bergbaumuseum Krásno stammt aus der ehemaligen Důl Marie (Grube Maria), die, wenn ich alles richtig verstanden habe, in der Nähe von Sokolov noch bis in die Wendezeit – in der Č(SS)R genannt „Sametová Revoluce“ („Samtene Revolution“) – im Untertagebau (!!!) Braunkohle förderte und anschließend liquidiert wurde, um dem Tagebau Platz zu machen.
Vstup zakázán! Poddolované území – Zutritt verboten! Unterbautes Gebiet
Originaler Förderturm von Důl Vilém im Bergbaumuseum Krásno
Letzter Erzhunt aus Důl Stannum (Horní Slavkov) im Bergbaumuseum Krásno
Es gibt auch einige interessante 900mm-Kohlebahnfahrzeuge zu sehen, die von der Sokolovská uhelná stammen – jener Bergbaugesellschaft, die den verbliebenen Großtagebau „Lom Jiří“ unmittelbar nördlich von Sokolov betreibt:
900mm-Braunkohle-Elektrolokomotive Typ 17E3, Baujahr 1959
Gebaut wurden solche Loks von den „Závody V.I.Lenina Plzeň“, während diese beiden hier bei der „Sokolovská strojírna“ entstanden sind:
900mm-Aussichtswagen der Sokolovská uhelná
900mm-Schneepflug der Sokolovská uhelná
Von dem bereits erwähnten Städtchen Čistá ist heute nichts mehr zu sehen außer einer Gedenktafel und dem nebenstehenden Warnschild, welches darauf hinweist, daß „unterbaut“ sei und daß die Landstraße II/210 zwischen der Gemeinde Podstrání und der ehemaligen Gemeinde Čistá für Verkehr über 7,5t gesperrt ist ...
Mit Čistá ist es eine besonders traurige Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Čistá, die viele Jahrhunderte alte Bergbaustadt – von 1918 bis 1938 außer deutsch Lauterbach, nur leicht tschechisiert, „Litrbachy“ genannt – nur noch eine Handvoll Einwohner, geriet zudem in den Einflußbereich des Truppenübungsplatzes Prameny ... und wurde von der tschechoslowakischen Armee mittels Artilleriebeschuß und Luftbombardement Ende der Vierzigerjahre vollständig dem Erdboden gleichgemacht.
Das wurde damals auch für die Nachwelt filmisch festgehalten. Es hat den Anschein, als sei man zu jener Zeit noch recht stolz auf derartige Aktionen gewesen. Selbstredend war das bei weitem nicht die einzige schauderhafte Barbarei, die im Sozialismus hier und anderswo begangen wurde.
Verlassen wir also lieber dieses dunkle Kapitel der Geschichte wieder. Die dritte bedeutende Bergbaustadt im Slavkovský les war wie gesagt Horní Slavkov.
Horní Slavkov, Náměstí Republiky
Allerdings haben die Zeitläufte auch diesem übel mitgespielt. Hier war von Ende der Vierziger- bis Ende der Fünfzigerjahre (neben Jáchymov / Sankt Joachimsthal im Erzgebirge und Příbram in Mittelböhmen) eines der Zentren des Uranbergbaus in der ČSSR. Das war wohl vor allem in Jáchymov eine sehr schreckliche Sache ... auf tschechisch „peklo na zemi“ – die Hölle auf Erden.
Horní Slavkov war einst ein Renaissancestädtchen reinsten Wassers, was man hier am Náměstí Republiky noch ablesen kann. Sonst ist der alte Teil Horní Slavkovs der Uranerzförderung, die selbstverständlich ganz und gar rücksichtslos vorgegangen war, zum größten Teil zum Opfer gefallen. Als Ersatz schuf der Sozialismus eben ein neues Stadtzentrum auf einer Anhöhe westlich des im Tal gelegenen alten Zentrums, alles in typisch sozialistischer Fünfzigerjahre-Architektur ausgeführt.
Am Fuße des Slavkovský les, wenige Kilometer westlich von Horní Slavkov wiederum an der Ohře liegt Loket / Elbogen. Hier ist wieder eine deutliche Ausrichtung auf den Tourismus anzutreffen. Aber es ist eben auch zu schön und malerisch, dieses mittelalterliche Städtchen mit seiner berühmten Burg.
Loket
Nun schließt sich der Bogen wieder unmittelbar nördlich von Sokolov, wo am bisher letzten Tag meiner neuerlichen Reisen in die ČR noch ein Besuch des Braunkohletagebaus „Lom Jiří“ anstand.
Blick in den Braunkohletagebau „Lom Jiří“ am frühen Morgen
Der „Aussichtspunkt“ hier an der Landstraße 1812 hat eher inoffiziellen Charakter, ist aber dank mapy.cz relativ leicht zu finden. Am jenseitigen Tagebaurand ist Sokolov zu sehen, und der Höhenzug ganz im Hintergrund ist der Slavkovský les.
Östlich des „Aussichtspunktes“ ist die Fahrt rund um den Tagebau etwa auf Höhe des Füllortes vorerst zu Ende. Da sich nördlich davon ausgekohltes Gebiet befindet, fuhr ich zurück nach Sokolov und anschließend über Nové Sedlo / Neusattl und Vintířov / Wintersgrün in der anderen Richtung rund um den Tagebau, bis ich endlich westlich von Chranišov neben der Landstraße 20911 eine Kohlebahn zu Gesicht bekam.
Abraumzugbetrieb am Braunkohletagebau „Lom Jiří“
Weil's so selten ist: Hier nochmal als Nachschuß
Ein Stückchen weiter unmittelbar westlich von Vintířov überquert die Landstraße 1812 auf einer Brücke die Kohlebahn, wo ich mich dann mit der Kamera auf die Lauer legte. Dies wurde alsbald mit diesem Kohlezug auf der Fahrt zum Braunkohlewerk Vřesová belohnt. Über Vřesová hatte ich hier bereits berichtet.
Ein Kohlezug mit dem ausgekohlten Teil des Tagebaus und dem Slavkovský les im Hintergrund
Die eigentümliche dreiteilige Lokomotive ...
... und die Kohlewagen nochmal von Nahem
Ein häufiger erfreulicher Anblick rings um den ganzen Tagebaubetrieb sind diese offenbar noch in großer Zahl vorhandenen LKW vom Typ Praga V3S, hier in der Ausführung mit Kofferaufbau:
Praga V3S
Und zum Schluß, kurz bevor die Fahrt am Werkseingang der Tagesanlagen wiederum zu Ende war, konnte ich noch dieses technische Dankmal mit Teilen einer Kettenbahn und der Aufschrift „LOM DRUŽBA 4.řez - r.1998“ (das bezieht sich offensichtlich auf den seit 2011 ausgekohlten, unmittelbar südöstlich von Lom Jiří gelegenen Tagebau Lom Družba) aufnehmen:
Kettenbahn-Denkmal
Und ganz zum Schluß hier noch mein Traumhaus im Wald am Rande von Mariánské Lázně :)
Mein Traumhaus im Wald :)