Zu den schönsten Weltgegenden, die ich kenne, gehört zweifellos Tirol. Zwar leidet Österreich unter derselben Art von Auflösungserscheinungen wie Germanien, aber im Vergleich zu diesem ist die Welt besonders in Tirol noch relativ in Ordnung. Dort kann ich sowohl meiner Neigung zum Alpinismus als auch der zur Eisenbahn frönen.
So war am 22.09.2018 nach einer Bergwanderung von Seefeld in Tirol zur Nördlinger Hütte und zurück Gelegenheit zu einem Besuch bei der Zillertalbahn, quasi als Kontrastprogramm zum Besuch bei der Schmalspurbahn Jindřichův Hradec—Nová Bystřice in der Tschechischen Republik einige Wochen zuvor.
Die Zuglok meines Zuges war die D 16, erbaut bei Gmeinder im Jahre 2007
Beide Bahnen sind natürlich altösterreichischen Ursprungs und weisen dieselbe Spurweite von 760mm auf, die sogenannte „bosnische Spurweite“. Sie heißt so, weil sie zuerst ab 1879 in Bosnien zur Anwendung kam. Die nur 10mm Unterschied zur 750mm-Spur sorgten dafür, daß beide Systeme inkompatibel zueinander sind: Eine preußische 750mm-Lok hätte auf 760mm vielleicht noch ein Stück weit geradeaus fahren können, doch spätestens die erste Kurve und erst recht die erste Weiche hätte das sichere Ende der Fahrt bedeutet.
Adapter zwischen Mittelpuffer an der Diesellok D 16 (links) und der Schaku am Personenwagen B4 32 (rechts)
Die beiden Bahnen waren sich in ihrer ganzen Ausstattung und Betriebsweise ursprünglich wohl sehr ähnlich. Doch heute ist der Unterschied doch sehr beträchtlich und zeigt auf interessante Weise die Unterschiede in der deutschen ... äh ... ich meine natürlich der österreichischen und der tschechischen Mentalität. Die Zillertalbahn ist heute ein modernes Nahverkehrsmittel ähnlich einer S-Bahn und wird im 30-Minuten-Takt bedient. Die neuesten Fahrzeuge – Dieselloks, Niederflurwagen und -steuerwagen – sind erst knappe zehn Jahre alt, dennoch ist eine Umstellung auf elektrische Traktion beschlossen.
Auf dem Weg zwischen Jenbach und Strass im Zillertal
Jedoch nicht mit Fahrleitung, denn anscheinend wollten die Zillertalgemeinden aus ästhetischen Gründen keine solche. Auch die bewährte Akkumulatortechnik soll nicht zur Anwendung kommen, sondern – Brennstoffzellen. Der erste Prototyp eines solchen Zuges ist laut Auskunft von Mitarbeitern der Zillertalbahn bereits im Bau. Darauf bin ich schon sehr gespannt und werde mich spätestens dann wieder bei der Zillertalbahn einfinden, wenn dies Fahrzeug dort unterwegs ist.
Station Strass im Zillertal
Gleisbauarbeiten mit schmalspuriger Ministopfmaschine vor romantischer Kulisse
Oberbau mit Normalspurschienen und Betonschwellen in Schlitters-Bruck am Ziller
Der Innenraum von B4 37
Im Gegensatz dazu der von B4 32, dem älteren Bruder
Wie schön, daß bei beiden Wagentypen nach wie vor zu öffnende Fenster vorhanden sind. Ein weiteres Zeichen dafür, daß die postmoderne Verblödung bei den Österreichern noch wesentlich weniger weit fortgeschritten ist als bei den BRD-Insassen ;)
Station Zell am Ziller
„Chalet Schnee“ in Mayrhofen
Einer der vielen netten Anblicke, die sich während der Fahrt bieten, ist dieses Feriendomizil „Chalet Schnee“ in Mayrhofen. Auch das Gras kann wohl kaum grüner sein als hier ;)
Nach der Ankunft in Mayrhofen zeigte sich zu meiner großen Freude die jugoslawische Schlepptender-Dampflok 83-076, erbaut 1909 bei Krauss in Linz, unter Dampf, nebst etlichen historischen Personenwagen, alles in erstklassigem Zustand:
Die schöne Jugoslawin 83-076, ehrwürdige 109 Jahre alt, unter Dampf in Mayrhofen
Personenwagen B4 48 in Mayrhofen
Personenwagen B 15 in Mayrhofen
Personenwagen AB 1 in Mayrhofen
Personenwagen B4 30 in Mayrhofen
Dieser wunderschöne antike vierachsige Holzkasten-Personenwagen hatte es mir besonders angetan. Stammt der vielleicht auch aus Jugoslawien? Aber mein Besuch galt ja in erster Line dem normalen Planverkehr auf der Zillertalbahn. Also zurück zu meinem Zug:
Personenwagen B4 32 in Mayrhofen
Steuerwagen VS 7 in Mayrhofen
Die Wendezüge wurden von Molinari Rail Austria konstruiert und von ŽOS Vrútky in der Slowakei erbaut.
Der komplette Zug in Mayrhofen
So in etwa sieht mein Traumhaus aus: Übliche moderne Bauweise plus traditionelle tirolerische Attribute wie das weit überkragende schattenspendende Satteldach und die großzügig bemessenen Balkons ... und statt dem Trecker nen IFA S4000-1 Z :)
Station Uderns mit den zwei Gesichtern, einmal von Richtung Mayrhofen und einmal von Richtung Jenbach aus gesehen
Station Schlitters-Bruck am Ziller
Funkferngesteuerte Diesellok D 12 in Jenbach
Dieseltriebwagen VT 1 (eine Leihgabe von der Pinzgauer Lokalbahn Zell am See—Krimml) in Jenbach